Der kurze Sommer des Automobils
Wenn sich zwei fast gleichaltrige Herren im besten Alter, eindeutig Liebende der fahrenden Untersätze Ihrer Jugend, der Mobilitätsgeschichte in Österreich der 1970er annehmen, kann nur Gutes dabei entspringen. Im Buch „Der kurze Sommer des Automobils„ kramen die Autoren Martin Krusche und Matthias Marschik dabei tief in den eigenen Erinnerungen und Erfahrungen jener Zeit, in denen sie sich selbst in ihren späten Teenagerjahren und frühen Zwanzigern befanden und somit am Beginn ihrer eigenen Mobilitätskarriere standen. Ebenso werden die Familienalben jener Zeit geplündert und dazu herrliche kurzweilige amüsante Geschichten und Anekdoten erzählt.
Die Mobilitätsgeschichte jener Zeit, kurz vor der ersten Ölkrise, huldigt dem Automobil, den es war für weite Bevölkerungsschichten endlich leistbar geworden. Um wenige tausende Schilling bekam man einen gebrauchten fahrbaren Untersatz, der mit wenig Aufwand über das nächstes Pickerl gerettet wurde, Spachtelmasse und Polyesterharz waren gute Umsatzbringer im Autozubehörhandel. Die Pickerlüberprüfung war noch nicht so streng und aufwendig wie heute, da blieb noch Luft und Geld für Individualisierung der Boliden. Rallye – und Zierstreifen wurden geklebt, Spoiler ebenso, breite Reifen und Zusatzscheinwerfer gerne montiert.
„Die Standardbedürfnisse von Wohnen, Essen und Arbeit waren weitgehend befriedigt. Der Fortschritt hatte in weiten Bereichen der Gesellschaft Einzug gehalten. Waschmaschine, Eiskasten und selbst der Urlaub an der Adria waren schon zum Mehrheitsprogramm geworden. Nachdem man nun ein Vierteljahrhundert fleißig gearbeitet und gespart hatte, nachdem die junge Generation mit den Altvorderen, den Nazis, aber auch den lustfeindlichen 1950er und 1960er-Jahren abgerechnet hatte, wollten sich die meisten Menschen wohl ein wenig Erholung, Genuss und sogar Hedonismus gönnen. Man wollte am Abend fortgehen, aber man wollte auch mit dem Auto fahren.“
Neben vielen der selbst bewegten Fahrzeuge jener Zeit, werden auch andere Fahrzeuge aus dem Zeitraum, sowie für die Mobilitätsgeschichte wichtige Modelle präsentiert. Das Buch „Der kurze Sommer des Automobils„ ist ein Erinnerungsalbum jener Tage, als der Sex noch sicher und das Autofahren gefährlich war. Es erinnert ein wenig an die Buchreihe „Wickie, Slime und Paiper“ (nur mehr antiquarisch erhältlich) das in den späten 90ern/frühen 2000ern die Glory Days der 70er wieder aufleben ließ, mit all seinen Spielarten und ergänzt es perfekt um den automobilen Aspekt.
Ein kleiner, feiner Bezug besteht auch zu Alltagsklassiker, nachdem einige der abgebildeten Fahrzeuge bei den Alltagsklassiker Friday Night Cruising in Graz entstanden sind. Die Fahrzeuge die im Buch behandelt werden, sind heute alle im Old- oder Youngtimeralter angelangt und sind genau jene Mobile, die im Alltagsklassiker Blog behandelt werden. In die Buchpräsentation am 24.09.2016 im Gleisdorfer Raum, wird auch Alltagsklassiker eingebunden sein, sobald es konkretes zu berichten gibt, erfahrt ihr es hier im Blog.
Zu den Autoren:
Martin Krusche (Jahrgang 1956), ist Künstler, Begründer des Kuratoriums für triviale Mythen, Chronist des Johann Puch Museums Graz und Carspotter.
Matthias Marschik (Jahrgang 1957), Historiker und Kulturwissenschaftler, Universitätsdozent in Wien, Salzburg und Klagenfurt, Autor mehrerer Bücher zum Thema Alltagskultur.
Das Buch: Der kurze Sommer des Automobils: Erinnerungen an die Siebziger Jahre
Martin Krusche/Matthias Marschik:
Verlag Brüder Hollinek & Co. Purkersdorf, 2016.
144 Seiten, 34,90 Euro.
ISBN 978-3-85119-366-4.
Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung des Verlag Hollinek.
Gründer von Alltagsklassiker, mit großer Schwäche für gut gereifte japanische Fahrzeuge, Prospekte und Modellautos; Fotograf, Leseratte, bewegt Mazda MX-5 NA V-Special, Mazda 818 Sedan de Luxe, Puch Clubman und Puch Maxi L.
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