„Dafür wurde er doch gebaut…“
Wie oft haben insbesondere Besitzer alter Geländewagen und anderer Nutzfahrzeuge diesen Satz schon gehört. Und den meisten dürfte er schon lange bei den Ohren raus hängen. Wie dem Autor…
Ein unrestaurierter und wunderschön erhaltener 107er SL? Ein taschentuchgepflegtes Elfer Cabrio? Für ihre Besitzer sicherlich etwas ganz besonderes. Aber Hand aufs Herz – Cabrios, Roadster, edle Coupes, hochkarätige Sportwagen in Topzustand sind nicht besonders spannend. Weil sie ja schon im Schauraum Liebhaberfahrzeuge waren. Weil ein sehr großer Prozentsatz des Bestandes nie oder kaum im Winter dienen musste. Weil sie nur in seltensten Fällen den verschleißintensiven Alltag zwischen Arbeitsplatz, Bauhof und Kinderkrippe absolvieren mussten. Und weil sie in der Regel von einer Liebhaberhand in die andere wechseln durften.
Wirklich spannend, wirklich bemerkenswert sind die Helden des Alltags, die Jahrzehnte überdauern und das Oldtimeralter erreichen. Wenn das noch in unrestauriertem Zustand passiert – Jackpot. Ein Handwerkerbus von 1983 in Erstlack mit Firmenaufschrift? Ein Kombi aus den 60ern mit verblechten Seitenscheiben, original und mit Patina? Ein Billigauto eines Volumenherstellers in Basisausstattung, Jahrzehnte lang liebevoll gepflegt? Viel spannender, viel seltener, viel bewundernswerter. Eigentlich. Das scheint aber offenbar selbst in der Altblech-Szene noch nicht flächendeckend angekommen zu sein. Erfahrungsberichte aus der Redaktionsgarage? Gibt´s genug.
Mittlerweile dürfte der grüne 87er Pajero eures Lieblingsautors bekannt sein wie ein bunter Hund. Kaum Winterbetrieb, 33 Jahre immer in beheizten Garagen, ungeschweißter Topzustand, größtenteils Erstlack. Laut kraftfahrzeugtechnischem Gutachten ein ehrlicher Zustand 2. Bestimmt sind mittlerweile – knapp 30 Jahre nach Produktionsende dieser Baureihe – mindestens 99,998% seiner Artgenossen in deutlich schlechterem Zustand. Die meisten davon schrottreif oder bereits den Weg alles Irdischen gegangen. Doch anstatt sich am Wunder seiner Existenz zu erfreuen, gibt es auch auf Oldtimertreffen häufig die einschlägigen Sätze zu hören: „Schade, dass der nie artgerecht im Gelände gehalten wurde“ oder „Der muss als Winterauto und zum Anhänger ziehen her, dafür wurde er gebaut“.
Ja Herrschaften, ist euch nicht klar, dass er dann genauso wie fast alle seiner Zeitgenossen heute nicht mehr da wäre? Geht ihr zum stolzen Besitzer eines Audi Urquattro und beklagt euch, dass die Kiste nicht auf Schotterpisten zu Tode geprügelt wurde? Macht ihr den Fahrer eines Scirocco darauf aufmerksam, dass es eigentlich eine Schande sei, dass sein Auto in den 90ern keinem Discounfall zum Opfer gefallen ist? Schließlich wurden sie ja dafür gebaut… Nicht beleidigt sein, liebe Scirocco-Jünger. Es ist Satire und die darf ja bekanntlich sehr viel. So lässt sich einfach wunderbar die Absurdität, die dieser Geisteshaltung innewohnt, veranschaulichen.
Nur weil ein Auto für Winter und Gelände gebaut wurde, muss man es in Salz und Forst zu Grunde reiten? Nur weil ein Wagen richtig schnell ist und dabei auch noch Spaß macht, muss man ihn auf Rennstrecken und bei Ampelrennen verheizen? Dafür wurde er doch gebaut!
Lukas
Seit 2008 als Motor-Journalist, Autor & Texter in der Szene aktiv. Sein Kaufverhalten gilt als promiskuitiv, seine Autos wechseln häufig. Vom Buick über den Mercedes-Benz und einigen Subarus bis hin zum Volvo war schon alles dabei. Nur der grüne Pajero, der bleibt! Auch macht es ihm großen Spaß, von sich in der dritten Person zu schreiben.
Also das mit dem Discounfall fand ich jetzt echt genial Lukas 🙂