Das Sammlungs-Dilemma
„Ich muss sie einfach retten“, „Wenn ich es nicht mache, dann macht es niemand“, „In der Pension – ja dann restauriere ich sie alle“.
Wie oft hat man diese Sprüche schon gehört. Sei es auf Oldtimertreffen, beim Abendessen mit Gleichgesinnten oder auch nur in geschriebenen Worten im Internet. Und natürlich kennen wir alle einen dieser liebenswerten Chaoten, die viel mehr Autos horten, als sie je werden fahren, geschweige denn restaurieren können. Da sind starke Emotionen im Spiel und in manchen Fällen wohl auch Zwänge oder Verlustängste, die das Handeln bestimmen.
Dem Sammeln alter Autos liegt meist der Gedanke zu Grunde, sie vor dem Schrott, dem Export oder schlechter Behandlung retten zu wollen. Und das ist natürlich ein hehres Ziel. Aber in vielen Fällen geht die Rechnung nicht auf. Etwa dann, wenn Sammler zahlreiche fahrbereite Fahrzeuge kaufen, um sie vor schlechter Behandlung zu retten. Und sie dann in einer Halle, einer Garage oder gar im Freien jahre- oder gar jahrzehntelang abstellen. Im Laufe der Jahre gehen Typenscheine und Schlüssel verloren. Benzin wird zu Gelee. Bremsen, Kupplungen und Kolben rosten fest. Innenausstattungen verschimmeln oder werden von Nagetieren zerfetzt. Fahrwerksgummis zerfallen zu Staub. Sie stehen sich kaputt. Gibt es da – ganz emotionsfrei betrachtet – einen Unterschied zur Verschrottung, zum Export oder zur schlechten Behandlung, vor der die Kiste ja ursprünglich hätte gerettet werden sollen?
Das Problem liegt laut Jürgen Splet, einem Insider der österreichischen Oldtimer-Szene, auch in einem Überangebot überlebender Fahrzeuge. Mit den steigenden Verkaufszahlen ab dem Ende der 1960er Jahre, dem besseren Rostschutz und dem parallel dazu wachsenden Wohlstand haben viel mehr Autos die letzten Jahrzehnte überstanden als davor. Die Zahl der Sammler, die sich um die Erhaltung dieser Survivor kümmert, ist aber nicht mitgewachsen. So kommt es auch heute noch zu Exporten von Old- und Youngtimern nach Afrika. Denn die kleine heimische Sammlerszene ist gesättigt, die Hallen sind voll. Trotzdem tauchen immer noch Fahrzeuge in Garagen betagter Herrschaften auf, die einen Besitzer suchen. Da ist die Versuchung natürlich groß, sich vielleicht den einen oder anderen Wagen „wegzustellen“, auch wenn dafür eigentlich gar keine Kapazitäten mehr übrig sind. Oft mit obigem Ergebnis.
Wäre es da nicht vernünftiger, sich je nach finanziellen und temporären Ressourcen auf ein, zwei oder vielleicht auch noch drei für einen selbst bedeutende Fahrzeuge zu konzentrieren, die dann die Liebe bekommen, die sie verdienen? Die durchrepariert und mit gültigem Pickerl ausgestattet darauf warten, an sonnigen Wochenenden zwischen Ostern und Oktober auf die Straße zu dürfen? Anstatt sich zehn, zwanzig oder gar dreißig Autos hinzustellen, die mangels Zeit mit jedem Jahr der Vernachlässigung schlechter werden?
Im Grunde kann natürlich jeder mit seiner Zeit, seinem Geld und seinen Fahrzeugen machen, was er möchte. Es steht niemandem zu, darüber zu urteilen. Auch mir nicht. Aber es steht jedem frei, den Kopf zu schütteln und sich zumindest zu wundern, wenn solche „Retter“ ein Fahrzeug lieber bei sich vergammeln lassen anstatt es einem Enthusiasten zu verkaufen, der ehrliche Absichten hat, es wieder auf die Straße zu bringen.
Seit 2008 als Motor-Journalist, Autor & Texter in der Szene aktiv. Sein Kaufverhalten gilt als promiskuitiv, seine Autos wechseln häufig. Vom Buick über den Mercedes-Benz und einigen Subarus bis hin zum Volvo war schon alles dabei. Nur der grüne Pajero, der bleibt! Auch macht es ihm großen Spaß, von sich in der dritten Person zu schreiben.
Hey Lukas,
hmmmmm, kenne ich auch diesen „liebenswerten Chaoten“? grins.
Sehr gutes Thema – sehr geil geschrieben. Ich verstehe die Leute auch nicht die nur kaufen und horten und alles vergammeln lassen. Alles „unverkäuflich, was denken sie sich nur…“ Oh Gott wie ich diese Typen liebe.
Ich bin ja auch einer der alles kauft, sammelt und hortet. Aber ich weiß schon gar nicht mehr wie viele Klassiker ich schon an „Folgesammler und Freaks“ weiterverkauft, teilweise sogar verschenkt habe in der Hoffnung dass das Wägelchen dann endlich wieder auf die Strasse kommt. Frustrierend wenn ich dann nach fünf oder sechs Jahren „meinen“ alten Wagen bei ihm hinter dem Schuppen liegen sehe. Dann hätte ich ihn auch selber behalten können…
Bei dir sonst alles klar?
liebe Grüße, Claus