Drum prüfe, wer sich ewig bindet…
… ob sich nicht was Besseres findet. Sagt zumindest der zynische Volksmund. Aber so Unrecht hat er nicht.
Es gibt da draußen verhältnismäßig viele schöne Autos. Nicht nur hochkarätige „Klassiker“, sondern gerade auch Survivor, die nach Jahrzehnten der liebevollen Pflege durch ihre Erstbesitzer irgendwann auf den Markt kommen. Zur Schau gestellt auf einschlägigen Gebrauchtwagen-Börsen. Doch gerade für alte Japaner gilt dann oft – So wirklich haben will sie niemand. Woran liegts?
Als konkretes Beispiel dient ein Mazda 626, der laut Szene-Insidern schon lange einen neuen Besitzer sucht. Erstzulassung 1982, knapp 40.000 Originalkilometer, coole Farbkombi, ungeschweißt, als historisches Fahrzeug eingetragen und den Fotos nach zu urteilen in Topzustand. Kosten soll das Schmuckstück 4800€. Auf den ersten Blick ein Top-Angebot, vergleichbare Mercedes-Benz W123 kosten bis zu 30.000€. Der 626 leidet aber – exemplarisch für sehr viele Modelle japanischer Hersteller – unter drei Punkten, die ihn zur Standuhr machen.
Die Version. Die Begehrlichkeit, vor allem bei alten Japanern, steht und fällt ganz stark mit der entsprechenden Version. Besagter 626 ist das Einstiegsmodell. Als 1.6 mit 70PS keine Fahrspaß-Maschine und die Ausstattung lässt, zumindest im Vergleich zur Topversion 2.0 SDX, die unter anderem mit Schiebedach, Fensterhebern und elektrischen Spiegeln aufwartet, auch zu wünschen übrig. Dann ist es das Facelift-Modell mit Plastikschnauze und schwarzen Kunststoff-Stoßstangen. Anfang der 1980er modern, heute ziemlich Charme-befreit. Wäre es ein Modelljahr 1979 oder 1980 mit Blechschnauze und Chromstangen, würden viel mehr Herzen aufgehen. So fällt ihm das damalige Anpassen an Modeströmungen heute auf den Kopf.
Der Markt. Der vor allem in Österreich kaum vorhanden ist. Wie viele ernsthafte Liebhaber alter Mazda gibt es in Österreich? Vielleicht 10. Deren Garagen sind längst voll, teils mit hochkarätigen Modellen. Auf einen Facelift-CB2 mit 1600er-Motor hat da niemand gewartet. Wenn nicht gerade zufällig ein Mitdreißiger, der zu allem Übel auch noch in die Oldtimer-Szene einsteigen will, vor dem PC sitzt und gezielt genau so einen 626 sucht, weil er in genau so einem 626 aufgewachsen ist, dann geht die Zahl der Interessenten gegen Null. Ein Markt ist schlichtweg nicht vorhanden. Klar, es ist eine optisch nette, zuverlässige kleine Limousine mit Heckantrieb in tollem Zustand. Aber für die wahre Liebe reicht es halt auch nicht, wenn ein Mädchen gut kochen kann und gerne putzt.
Die Preisvorstellung. Vergleichbare 123er kosten bis zu 30.000€. Da sollen 4800€ für den 626 zu viel sein? Das Problem ist der fehlende Markt, siehe oben. Es gibt für solche Autos – egal ob es ein 626, ein Corolla, ein Sunny oder ein Galant ist – kaum Leute, die sie wirklich haben wollen. Aus ganzem Herzen und mit Überzeugung. Die sie lieben und ehren und nie wieder hergeben möchten. Daher bleiben nur die Gelegenheits-Käufer übrig. „Den hol ich mir, weil er lustig ist. Und in einem Jahr oder zwei verkauf ich ihn wieder.“ So denken viele, aber da muss der Preis passen. Bis 2000€ würde sich sicherlich jemand finden. Auch, weil dieser Jemand dann wüsste, dass er das Fahrzeug wieder zum gleichen Preis wegbekommt, wenn ein anderen Objekt der Begierde auftaucht. Aber für 4800€? Da musst du lange suchen, bis du ihn wieder für nur annährend so viel Kohle weg hast. Womit wir wieder beim fehlenden Markt wären.
Und so halten sich die Gelegenheitskäufer zurück, der 626 ist noch lange zu haben und man könnte das Gefühl bekommen, dass ihn niemand haben will. Dabei ist es wohl nur die Furcht, sich mit dem unterschriebenen Kaufvertrag ewig zu binden.
Wie so etwas passieren kann und wie man damit lebt, lest ihr in der nächsten Folge „Lenkeinfluss“.
Lukas
Seit 2008 als Motor-Journalist, Autor & Texter in der Szene aktiv. Sein Kaufverhalten gilt als promiskuitiv, seine Autos wechseln häufig. Vom Buick über den Mercedes-Benz und einigen Subarus bis hin zum Volvo war schon alles dabei. Nur der grüne Pajero, der bleibt! Auch macht es ihm großen Spaß, von sich in der dritten Person zu schreiben.
Immer wieder ein Genuß, deine Artikel und Gedanken zu lesen Lukas!
War für mich wieder sehr horizonterweiternd
Liebe Grüße
Toni
Nachvollziehbar. Ich muss dann wohl der Einzige in Österreich sein, der seinen Corolla und Galant aus dem 91er Jahr schätzt und auch wirklich haben wollte ☺️.