Lenkeinfluss Spezial – Geschichten aus dem richtigen Leben Teil 3
Die dritte Geschichte aus dem richtigen Leben hat sich genau so und nicht anders zugetragen. Damals waren die Lokale gut besucht, alle Geschäfte geöffnet und euer Lieblingsautor jung. Gut, zumindest jünger als jetzt. Ist ja auch schon was. Aber zurück zum Thema.
Weißenkirchen in der Wachau, 27. April 2014. Seiberer Bergpreis. Dieses Jahr mit Japaner-Sonderserie. Gut, die Bezeichnung „Bergpreis“ ist vielleicht für all jene, die nicht aus dem Marchfeld oder dem Seewinkel kommen, ein wenig irreführend, aber sei´s drum. Man fährt ein paar Kilometer bergauf und es ist sogar die eine oder andere Spitzkehre zu meistern. Na oiso. Die Japaner-Klasse ist toll besetzt, vom mondänen Mazda 929 Coupe über den Mini-Zwutschgi Toyota 1000 bis zum Gatschhüpfer Suzuki LJ80 ist alles vertreten. Das Rallye-Team Wieringer steht mit einem frisch restaurierten 86er Subaru Leone Turismo 1.8 GL am Start. Motiviert bis in die Haarwurzeln. Geht es doch drum, die historische Rennstrecke auf den Seiber – mit 6 km Länge bei einer durchschnittlichen Steigung von 7% – in zwei Läufen möglichst gleich schnell unter die Räder zu bringen. Je geringer die Zeitabweichung der beiden Durchgänge, umso Stockerlplatz. Da bis kurz vor Nennschluss nicht festgestanden ist, ob der Leone bis Ende April überhaupt fertig wird, sind wir mit Startnummer 280 die letzten Teilnehmer der Japan-Oldies-Partie. Hinter uns folgen noch einige Starter einer gemischten Gäste-Klasse. Unter anderem ein Ford Capri 3.0, der noch eine große Rolle im Seiberer-Abenteuer spielen sollte.
Start zum ersten Durchgang. Ich kenne die Strecke nicht, bin sie vorher noch nie gefahren. Nach einem recht gesitteten Start geht’s die ersten milden Kurven bergan, der Leone ist bester Laune, die Besatzung auch. Was zu einem großen Teil an einer Modifikation liegt, die man dem Ding nicht ansieht. Dank des Verteilergetriebes von einem Leone Turbo ist bei meinem Turismo nicht nur der starr zuschaltbare Push-Button-4WD einem permanenten Allrad gewichen, sondern auch eine vollsynchronisierte Untersetzung steckt jetzt unterm Blech. Ideales Besteck für enge Bergstraßen. Warum? Ich sag nur 10 normal nutzbare Vorwärtsgänge. Auf die erste Kehre geht´s über eine lange Gerade mit der Dritten zu. Um dann mit dem Untersetzungshebel die kurze Dritte reinzuschießen. Mit quietschenden Reifen und erhöhter Drehzahl durch die Kurve und auf der nächsten Geraden wieder retour in die lange Dritte. Geht schneller als der Schaltvorgang vom Dritten auf die Zweite und retour, der immer ums Eck muss. Das macht Spaß, da reicht auch der 90PSige Vergaser, um ein wenig Rallyeflair in die Wachau zu zaubern. Und das Publikum an der Strecke jubelt sowieso, wenn der Boxer an ihnen vorbei röhrt und die kurze Dritte freudig mit den Zahnrädern singt.
Doch was ist das? Kurz nach der halben Strecke taucht im Rückspiegel plötzlich der rote Ford Capri auf. Ist der nicht 30 Sekunden nach uns gestartet? So wie er fährt, kennt er die Strecke deutlich besser als ich. Er weiß, wo er stehen lassen und wo er spät bremsen kann. Und so wird er immer größer im Rückspiegel, um uns vor der letzten Kehre schließlich mit Dauerblinker ums Überholen zu bitten. Ich fahr zur Seite, lass ihn vor. Aber noch einmal passiert mir das nicht!
Start zum zweiten Durchgang. Mittlerweile ist es richtig heiß, die Zuschauer flüchten vor der Sonne und der Capri steht in der Startaufstellung schon wieder hinter mir. Na no, na ned. Aber dieses Mal mach ich es ihm nicht so einfach… Denn jetzt kenn ich die Strecke und weiß, dass ich das Gas viel öfter stehen lassen kann. Der Boxer röhrt sonor den Seiber rauf, die Drehzahl bleibt dank eng gestufter Gänge und sehr motivierter Beifahrerin „Dritte kurz in Dritte lang, Gerade, in Dritte kurz, Kehre, in Zweite kurz, in Zweite lang, Vollgas“ ständig zwischen 4500 und 6000 Umdrehungen. Der permanente Allrad sorgt für Top-Traktion am Kurvenausgang und ein Fahrgefühl, als hätte man Schienen verlegt. Nach fast 5 Kilometern taucht im Rückspiegel plötzlich der rote Punkt auf. Haaa! Der Capri, da ist er! Aber dieses Mal schafft er es nicht. Der Leone saugt sich durch die letzten Kurven, die Schräglage ist dank Serienfahrwerk beachtlich. Der Fahrspaß auch. Und wirklich. Nach der Zieldurchfahrt dauert es einige Sekunden, bis auch der Capri kommt. Vom Capri-Piloten gibt´s einen erhobenen Daumen, die Freude im Leone ist enorm.
Bis mir ein unwesentliches Detail einfällt… War das hier nicht eine Gleichmäßigkeitsfahrt? Als die Ergebnisliste veröffentlicht wird, bin ich aber trotzdem stolz. Im zweiten Lauf waren wir ganze 45 Sekunden schneller als im ersten Durchgang. Auf 6 Kilometern Strecke ist das eine Welt. Gut, ergibt lediglich Rang 246. Für´s Stockerl hat´s nicht ganz gereicht. Aber für den Capri, harharhar!
Jetzt ist es April 2020, die Welt sieht zumindest temporär und bis auf weiteres vollkommen anders aus als damals, ich war seither nicht mehr beim Seiberer Bergpreis und auch den Leone besitze ich schon einige Jahre nimmer. Mittlerweile würde ich ihn vielleicht auch in Sachen Fahrstil eher als Oldtimer behandeln. Apropos Oldtimer…
…aber das ist eine andere Lenkeinfluss Spezial – Geschichten aus dem richtigen Leben.
Lukas
Seit 2008 als Motor-Journalist, Autor & Texter in der Szene aktiv. Sein Kaufverhalten gilt als promiskuitiv, seine Autos wechseln häufig. Vom Buick über den Mercedes-Benz und einigen Subarus bis hin zum Volvo war schon alles dabei. Nur der grüne Pajero, der bleibt! Auch macht es ihm großen Spaß, von sich in der dritten Person zu schreiben.