Ob das Knut geht?
Wo fängt man da an, wie drückt man es aus? Wie beschreibt man das Gefühl, wenn man sein ehemaliges Fahrzeug das man einst geliebt hat, dann aber doch nicht mehr so und es abgeben hat, glaubt wiederzusehen? Ist es Wehmut oder Sehnsucht? Verspäteter Trennungsschmerz? Keine Ahnung, mir fehlen da etwas die Worte!
Fakt ist das ich vor einigen Monaten, es war Winter, auf einem meiner Dienstwege einen silbernen Volvo 240 aus dem Augenwinkel gesehen habe. Die Zeit war knapp, das Interesse enden wollend. Mir war nur bewusst, das es die Heimatgemeinde des Käufers von Knut ist, in der ich diesen Schatten aus der Vergangenheit wahrgenommen habe. Außerdem gab es sicher mehrere silberne Ziegelsteine in der Gegend.
So geht man seinem Tagewerk weiter nach und vergisst diesen kurzen Augenblick der Verunsicherung. Im Monat darauf war ich wieder in der Gegend und es regnete junge Hunde und Katzen, so fuhr ich zwar langsam an dem etwas abseits der Gemeindestraße geparkten Volvo vorbei. Die Witterung ließ aber keinen scharfen Blick darauf zu, um mehr zu erkennen, außer einen silbernen Volvo 240 der letzten Eskalationsstufe. Möglich wäre es, aber warum parkt er neben einem Schuppen, unter einem Baum, gemeinsam mit einem Peugeot 205?
Nachdem ich bei diesem Kunden im Monatstakt vorstellig werde, hatte ich dieses mal einen Stopp eingeplant um die Neugierde zu befriedigen und meine Bedenken zu zerstreuen. Der Winter durchkreuzte meine Pläne und legte eine Schneedecke über Wald und Wiesen und über den kantigen Schweden. Na dann warten wir noch einmal vier Wochen, es geht ja um nichts.
Der Schnee war vier Wochen später verschwunden, die beiden Fahrzeuge aus einem anderen Jahrtausend aber immer noch an ihrem mittlerweile angestammten Platz. So halte ich an und stapfe über die feuchte Wiese um mir ein Bild vom Volvo 240 zu machen. Um Ihn eindeutig als meinen ehemaligen Knut auszumachen, muss ich näher ran, den typische Erkennungsmerkmale wurden, sofern er es ist, rückstandslos entfernt.
Also mal eine Runde um den silbernen, dem der Kühlergrill und die Frontscheinwerfer fehlen. Rundum sieht man die Spuren von Blecharbeiten, die noch nicht angleichend über lackiert wurden. Es fehlen die seitlichen Zierstreifen am den hinteren Kotflügeln, alle Aufkleber auf den Scheiben wurden ebenfalls entfernt. Die aus dem vollen gefräste Anhängerkupplung fehlt ebenfalls, was die eindeutige Zuordnung deutlich erschwert. Aber dann sind doch ein paar Alleinstellungsmerkmale, wie ich meine, die ihn eindeutig als “meinen“ ausweisen: Die stumpfen ausgebleichten Heckleuchten, die getönten Seitenblinker aus dem Zubehör, das Schiebedach, die blaue Innenausstattung, der Automatikschalthebel, die markanten Sprünge im Armaturenbrett.
Was mich aber ganz sicher macht, was mir erst beim betrachten alter Bilder aus unserer gemeinsamen Zeit aufgefallen ist, ist zu einem die Scharte vorne rechts in der Stoßstange, die ich eigenhändig im Supermarktparkhaus eigenhändig an einer Säule reingedrückt habe. Andererseits ist da der silberne Aufkleber in der Nummerntafelkonsole hinten, der ein ausgebleichter Sticker vom einst ausliefernden Volvohändler ist!
Seitdem plagen mich Zweifel, warum ich Knut damals abgegeben habe! Wie ein verstoßenes Kind, das dort Wind, Wetter und den Unbilden der Witterung ausgesetzt ist. Ich fühle mich wie ein Raben-Auto-Vater, der sein Kind ausgesetzt hat. Hätte ich doch noch mal tief in die Taschen gegriffen und dem schwedischen Panzer heilende Hände auflegen lassen. Dabei habe ich im Jahr nach dem Verkauf den neuen Besitzer zufällig getroffen und er hat mir versichert, das Knut bald wieder auf der Straße sein wird. Auch wenn die Instandsetzungsarbeiten doch aufwendiger seien als gedacht und sich das eine oder Rostproblem im Verborgenen befand, er aber guter Dinge sei.
Im aktuellen Zustand macht er den Eindruck nach abgebrochener Restauration und gekündigter Werkstatt, warum würde er sonst sich das Baumharz auf das 31 Jahre alte Blechkleid tropfen lassen müssen? Wer weiß, warum er dort unter dem Baum herumlungern muss? Ist die Motivation auf den letzten Metern flöten gegangen? Oder ist es Zeitmangel, der Knut so halbfertig zurückließ?
Muss ich kundtun, das ich seitdem schreckliche Sehnsucht nach einem Volvo 240 habe? Es müsste gar nicht Knut und eine Limousine sein, ich würde mich auch mit einem feinen Kombi zufrieden geben. Leichter macht es es auch nicht, das auch Volvis roter 245 beim zweiten Besitzer nach ihm auf Facebook aufgetaucht ist, es ihm dort scheinbar gut geht und er geliebt und verhätschelt wird, was auch das folgende Video beweist.
Hier gibt es noch ein Best of Knut:
Gründer von Alltagsklassiker, mit großer Schwäche für gut gereifte japanische Fahrzeuge, Prospekte und Modellautos; Fotograf, Leseratte, bewegt Mazda MX-5 NA V-Special, Mazda 818 Sedan de Luxe, Puch Clubman und Puch Maxi L.