Virtuelles Alltagsklassiker Saturday Night Cruising 2020: Teil 15
Viele Klassikertreffen, Teilemärkte, Ausfahrten und Messenwerden abgesagt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, das liegt uns eingefleischten Petrolheads richtig schwer im Magen. Auch die Alltagsklassiker Saturday Night Cruising im April, Mai und Juni im Grazer Citypark fallen den strengen Massnahmen der österreichischen Bundesregierung zur Coronakrise zum Opfer.
Deswegen machen wir einfach das Beste daraus und treffen uns einfach virtuell hier im Blog! Einfach mal zurücklehnen und den Teil 15 des virtuellen Alltagsklassiker Saturday Night Cruising genießen. Schön, das es da draussen nicht nur Liebhaber von Mainstream-Klassikern gibt, sondern auch Leute die ein großes Herz für eher unbeachtete Youngtimer haben. Jürgen ist so einer! Er hat nicht nur einem Volvo 960 mit massivstem Wartungsstau wieder Beine gemacht – siehe Teil 12. Er bewegt und pflegt auch ein Golf 4 Cabrio, das gerade an der Schwelle zum Youngtimer steht. Ein E46 Touring in langjährigem Besitz, wartet gerade auf seine wieder in Verkehrsetzung.
Da wäre auch noch das Fiat Punto Cabrio, das ihm bisher so einiges an Nerven, Handgriffen und Geld abverlangt hat. Genau um dieses Cabrio dreht sich alles in Teil 15 unseres virtuellen Treffens. Gibt es Fragen zum gezeigten Fahrzeug, dann nutze bitte Kommentarfunktion unter dem Beitrag.
Willst du auch mit deinem Fahrzeug am virtuellen Alltagsklassiker Saturday Night Cruising teilnehmen? Schick mir ein Mail an snc@alltagsklassiker.at mit Bild(ern) und Text.
#alltagsklassikerathome
Jürgen W.
„Diesen Dreckskarren schlag ich kurz und klein!“
Es schien die Sonne am 1.Mai 2014, als ich mit diesem Stückchen italienischer Ingenieurskunst den heimischen Hof enterte. Meine Eltern – die eigentlich gar nichts mehr wegen meiner automobilen Eskapaden sagten – schlugen sämtliche Hände über dem Kopf zusammen, die ihnen zur Verfügung standen. Es schien also, dass dieses Auto etwas ganz besonderes an sich hatte, was auch mich irgendwie faszinierte. Und was mich auch heute noch regelmäßig zum Ausrasten bringt.
Aber von Anfang an: Mein bester Freund hat mir stolz erzählt, dass er ein Fiat Punto Cabrio 16V mit 86PS aufgetan hat. Baujahr 2000, Lederausstattung, 4 elektrische Fensterheber und nur zwei kleine Löcher am Unterboden zu schweißen. Er schlug daher sofort zu, da solche Autos im Jahr 2014 nicht häufig zu bekommen waren. Schon gar nicht zu einem 3-stelligen Preis.
Nach ganz kurzer oberflächlicher Durchsicht stellte ich ihm dann eine niederschmetternde Diagnose: „Das Ding kannst auf den Schrott stellen!“ Sein zaghafter Einwurf: ‚Aber der hat doch 4 elektrische Fensterheber und Lederausstattung….!‘ hallte noch etwas in meinem verständnislosen Schweigen nach.
Der Unterboden rechts und links war komplett durchgerostet. Der Vorbesitzer hatte also recht. Im Grunde waren es nur 2 Löcher am Unterboden, die zu schweißen waren. Weitere Roststellen konnte ich aufgrund der starken Verschmutzung der Radhäuser nicht feststellen, waren aber sicher vorhanden.
Der Service war seit Jahren überzogen, mindestens ein Hydrostößel klapperte das Lied vom Tod, der Kühler war kaputt, der Wärmetauscher der Heizung undicht (wunderbar penetranter Geruch nach Liebstöckel aus den Lüftungsdüsen), der hintere rechte Fensterheber weigerte sich vehement, seinen Dienst zu verrichten und der Tacho schnalzte schon beim Anfahren auf 40-60km/h hoch.
Spontaneität sollte geplant werden! Das merkte ich bei meiner nächsten Aussage, die komplett unüberlegt aus mir raussprudelte. Mein bester Freund meinte nämlich: „Bevor ich den verschrotte, verschenke ich den!“ und schlug bei meiner unüberlegten Antwort „Okay, ich nehm ihn!!!“ fatalerweise sofort ein. Eigentlich wollte ich den Punto gar nicht. Ich wollte auch nicht sagen, dass ich ihn nehme. Ich bin auch heute noch davon überzeugt, dass sich der Punto in gute Hände begeben wollte und einfach durch mich gesprochen hat, dass ich ihn wieder herrichte…
Ein paar Tage später im Mai 2014 ging es zuhause weiter mit der großen Bestandsaufnahme. Es war noch mehr durchgerostet, als ich dachte. Ich konnte mit dem Heißwasserdampfstrahler fast das komplette hintere rechte Radhaus aus der Karosserie waschen.
Blech und Schweißdraht wurden besorgt, Ersatzteile bestellt und Teile für die große 120.000km-Wartung gekauft. Das Auto wurde zerlegt, gründlich gereinigt, Bleche eingesetzt, Ersatzteile eingebaut, die Wartung durchgeführt. Nur bei einer Sache stieß ich als Blechkunstanfänger schon recht schnell an meine Grenzen: Das Radhaus hinten rechts musste ich in einem Fachbetrieb instandsetzen lassen. Ich kam mit den Rundungen und dem integrierten Tankeinfüllstutzen nicht klar.
Beim Karosserieinstandsetzer wurde durch eine Unachtsamkeit dann auch noch das – eigentlich nicht mehr lieferbare – Hosenrohr des Auspuffs irreparabel beschädigt. Nach einiger Recherche in einem bekannten Internetauktionshaus konnte ich doch noch einen ganz billigen Nachbau ergattern, der sofort (eher weniger als mehr passend) installiert wurde. Somit gehörte auch der äußerst sportliche Auspuffklang der Vergangenheit an.
Ich weiß nicht, wie oft ich an diesem Auto verzweifelt bin – bis heute verbindet uns eine leidenschaftliche Hassliebe. Bei manchen Wartungs- und Reparaturarbeiten könnte ich das Auto zu einem 30x30x30cm großen Klotz zusammendengeln, so sehr bringt es mich in Rage. Setze ich mich nach der Reparatur dann auf den Fahrersitz, starte den kleinen Motor, der sofort und absolut willig anspringt, ist der ganze Ärger vergessen. Richtig Freude bereitet es dann, wenn man auf schmalen, kurvigen Landstraßen den verblüffend agilen Motor hochdreht und etwas enttäuscht ist, wenn der Drehzahlbegrenzer ruckelnd dem Vortrieb Einhalt gebietet. Der Punto benimmt sich da irgendwie wie ein kleiner Hund, der hechelnd und freudig mit dem Schwanz wedelnd ums Gassigehen bettelt.
Vergessen ist dann all der Ärger mit dem Auto. Dass er Zündspulen frisst, dass hier und dort mal ein Fensterheber nicht mehr mag, dass man immer irgendetwas instand zu setzen hat und dass dieses Jahr nun auch die Servolenkung komplett ersetzt werden sollte, weil überall Öl austritt.
Ich habe so viele schöne Erinnerungen mit diesem Auto gehabt: Urlaubsfahrten an die Nordsee, nach Italien, zum Cruise’n’Grill nach Graz, in die Schweiz… Ich kam überall zuverlässig an und auch wieder nach Hause. Was sind da schon ein paar nervige Kleinigkeiten, mit denen mich mein kleiner Italiener ärgert?
Ich glaube, ich habe es gut bei ihm. 😉
Viele Grüße Jürgen
Die Bilder stammen von den jeweiligen Teilnehmern des virtuellen Alltagsklassiker Saturday Night Cruising.
Gründer von Alltagsklassiker, mit großer Schwäche für gut gereifte japanische Fahrzeuge, Prospekte und Modellautos; Fotograf, Leseratte, bewegt Mazda MX-5 NA V-Special, Mazda 818 Sedan de Luxe, Puch Clubman und Puch Maxi L.