Wo die Liebe hinfällt…

… dort findet sie nicht immer fruchtbaren Boden. Denn so manche Marke macht es dem geneigten Autofreak schon sehr schwer, sie zu lieben. Woran liegt´s und worauf kommt es eigentlich an, dass die Liebe Früchte trägt?

Wir Autofreaks möchten uns mit der Geschichte unseres Lieblingsmodells auseinandersetzen können.
Dafür braucht es Hintergrund-Infos. Wir möchten wissen, wer der Chefdesigner unseres Lieblings war. Wir bringen den Produktionsstandort in Erfahrung. Und wir wissen über die Gegebenheiten im Konzern rund um die Entstehung Bescheid. Jeder kennt die Geschichte von Erich Waxenberger, die zum 300 SEL 6.3 geführt hat. Jeder weiß, dass Giorgio Giugiaro den Golf designt hat und Ferdinand Piech eigentlich den Heckmotor-Typen VW EA266 als Käfer-Nachfolger hätte entwickeln sollen. Es gibt unzählige Bücher über unsere Lieblingsmarken und – modelle. Das ist auch wichtig. Denn das Studium von einschlägiger Literatur hält die Flamme am Lodern.

 

 

Wir Autofreaks möchten alles über unser Lieblingsmodell wissen.
An Begriffen wie der Hofmeisterknick oder Kombinationen wie „Bornitmetallic mit Beplankung violettgrau, Velour Dattel, Gullydeckel und volle Hütte“ geilen wir uns auf. Die Namen von Lack- und Polsterfarben sitzen, Autofreaks unter sich kommunizieren in einer Art Insider-Geheimsprache. „Dein L040 ist ein Modelljahr 89 weil er den 4D56 schon mit Intercooler hat und dazu das V5MT1.“ Ah ja… Und genau da trennt sich die Spreu wieder vom Weizen. Gerade die Stuttgarter von Mercedes-Benz und Porsche verstehen es meisterlich, diese Enthusiasten-Klaviatur zu bespielen. Das zeigt sich selbst bei Neuwagen. Pressemitteilungen für neue Modelle fallen so detailliert aus wie nirgendwo sonst. So weiß der Fanboy sofort, dass es sich bei seinem Navi um ein TFT-Display handelt, weshalb die Distronic Plus mit einer Stereo-Kamera zusätzlich zum Radar-Sensor arbeitet und wie viele Stück seines Modells genau produziert wurden. Marken, die primär von Vernunftkäufern gekauft und gefahren werden, veröffentlichen diese Infos erst gar nicht.
Wir Autofreaks haben gern alle paar Monate ein anderes Auto.

 

 

Da kommt uns die Fanbase einer beliebten Autofreak-Marke wieder sehr entgegen. Jede Saison andere Alufelgen, die gesamte Innenausstattungen von „Stoff Nylonflock Indigo“ auf „Vollleder Buffalo Havanna“ wechseln oder einfach nur die Rückleuchten der zweiten Modellpflege nachrüsten. Weil viele so denken, sind Unmengen an Zubehör- und Gebrauchtteilen am Markt. Der BMW E30-Fahrer hat leichtes Spiel, wenn statt dem bereits verbauten „BMW-Sportlenkrad dreispeichig“ ein „M-Technik 2“ in seine Kiste soll. Der Benz-Mann kann zwischen hunderten zeitgenössischen Radsätzen wählen, die auf gängigen Verkaufsplattformen neue Besitzer suchen. Verkauft von Jungs und Mädels, die in der nächsten Saison selbst gerne andere Felgen sehen, wenn sie zu ihrem Auto kommen.

Wir Autofreaks möchten uns unseren fahrbaren Untersatz individualisieren.
Gerade bei deutschen Marken kaufst du ja kein Rundum-sorglos-Paket auf Rädern, sondern eine Leinwand. Die zum Basispreis recht leer ausfällt. Um dann nach und nach die bevorzugten Farben und Formen drauf zu malen, quasi. Welche Felge soll es sein? Reicht der normale Sitz oder müssen es die Sportsitze werden? Und wozu soll ich eigentlich die elektrische Heckrollo nehmen, wenn ich doch eigentlich nur die integrierten Kindersitze auf den äußeren Plätzen der Rücksitzbank möchte? Klar, Individualität kostet. Macht aber auch die Würze des Hobbys aus. Denn kaum ein Mercedes-Benz oder BMW aus den 80ern hat einen identischen Bruder.

 

 

Genau aus diesen Gründen sind die klassischen Autofreak-Marken wie Mercedes-Benz, BMW, VW-Audi oder Porsche so beliebt. Und genau aus diesen Gründen sind vor allem japanische Marken eine solche Randerscheinung in der Szene. Weil es keine Bücher über den Toyota Corona Mark II und seine Entwicklungsgeschichte gibt. Weil niemand weiß, wie das helle Grün beim 81er Mitsubishi Galant heißt und mit welcher Stofffarbe es kombiniert wurde. Weil jeder nur Bahnhof versteht, wenn der echte Freak Werkscodes für Datsun-Modelle der 1970er auspackt. Weil der typische Fahrer eines Toyota Corolla nicht auf die Idee kommt, seine Alufelgen nach zwei Saisonen zu verkaufen, um auf etwas größere Alus vom Facelift umzusteigen. Weil der typische „Japaner“ schon ab Werk mit guter Ausstattung kam, aber kaum Möglichkeiten zur Individualisierung bot. Somit findet der Autofreak bei diesen Marken kaum Angriffspunkte für seine Leidenschaft.

Umso bemerkenswerter und respektabler ist es, wenn sich trotzdem jemand die Mühe macht, eine Marke zu lieben, für die es keine modellspezifische Literatur, keine Werkscode-Geheimsprache und keinen florierenden Teile- und Zubehörmarkt gibt. Wo die Liebe eben hinfällt…

 

Bilder: Lukas Wieringer / Titelbild: Mercedes Benz

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1 Response

  1. Sebastian sagt:

    Stimmt GENAU!
    Fahre einen Range Rover der zweiten Generation sowie einen Landcruiser 80 Benziner. Trotz aller technischen Probleme hat der Range eine mega „Fanbase“ die sich rege Austauscht und Unterstützt.
    Beim Toyota sieht das anders aus: klar, ist bekannt, unverwüstlich, extreme Gebrauchtwagenpreise aber das war es dann auch (leider) schon. Die Szene ist überschaubar, nicht schlechter, aber anders. Kleiner, weniger im Fokus der Aufmerksamkeit.
    Und das liegt nicht an den Stückzahlen, beide sind im Straßenbild völlig verschwunden, der Lordwagen sowie das Arbeitstier.

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